Displaced Persons
Würden Sie gerne auf diese Nachricht reagieren? Erstellen Sie einen Account in wenigen Klicks oder loggen Sie sich ein, um fortzufahren.

Andere Wege gehen...

4 verfasser

Nach unten

Andere Wege gehen... Empty Andere Wege gehen...

Beitrag  something Fr Dez 07, 2007 12:11 am

In diesem Thread möchte ich über die Beziehung zu den betroffenen Menschen sprechen, über Schwierigkeiten, die man im Alltag überwinden muß. Über vertraute Reaktionsformen, mit denen man brechen muß. Und dazu praktische Tips austauschen.


Petra H

something
Admin

Anzahl der Beiträge : 90
Anmeldedatum : 13.09.07

http://abcd.forumieren.com

Nach oben Nach unten

Andere Wege gehen... Empty Re: Andere Wege gehen...

Beitrag  petra_h Di Dez 11, 2007 6:31 pm

Ja, die Sache mit den anderen Wegen ... das sagt sich so leicht. Ich versuche sie zu gehen. Mal mehr, mal weniger erfolgreich. Aber ... da gibt es immer wieder diese Rückschläge.

Wie am Dienstag letzter Woche:
Ich schlafe in der Wohnung meiner Mutter in einem Nebenzimmer, habe aber immer die Tür offen, damit ich höre, wenn sie nachts ein Problem hat oder zur Toilette muß.
Morgens, kurz vor 7 Uhr: Rrrrrrrrrrrrrrrrrummmmmmmmmms !!! Auaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!!!

Oh Mist! Ich fahre aus dem Tiefschlaf hoch und renne, was die Füße hergeben, ins Schlafzimmer. Da liegt sie, auf der linken Seite, vor dem Bett, die Decke hat sie mitgenommen und liegt drauf, das hat den Fall wohl etwas abgefedert, aber... der Kopf hat es voll abgekriegt, weil er im Fallen wohl den Nachttisch gestreift hat. Vorsichtig hebe ich sie auf und setze sie aufs Bett. Sie jammert und schreit: Mein Kopf!!! Tatsächlich beginnt an der linken Schläfe etwas anzuschwellen, was wie eine große Beule aussieht. Ich kühle mit Eis, ziehe sie schnell an und überlege, ob es nicht genügt, sie ambulant zum Unfallarzt zu bringen. Aber die Beule ängstigt mich, da muß wohl schon ein CT gemacht werden. Also rufe ich einen Rettungswagen. Essen mag sie nichts, hängt schief da und murmelt völlig verwirrten Kram vor sich hin. Ab und zu schläft sie ein.

Dann kommt das DRK. Die Sanis haken sie liebevoll rechts und links unter und führen meine jammernde Beste Stufe für Stufe die Treppen runter. Ab ins Unfallkrankenhaus. Gegen halb 9 Uhr sind wir da. In der Notaufnahme, die ich vom letzten Jahr noch zu gut kenne, ist wie immer der Bär los, dort kommt sie dann wieder richtig zu sich. Inzwischen hat sie einen großen Bluterguß am Kopf, die Beule schwillt fast auf Hühnereigröße an. Mutti sieht die vielen Schwestern und Ärzte und den Trubel und fängt an zu schimpfen wie ein Rohrspatz, beleidigt die Schwestern ("Wenn ich so ein Gesicht hätte wie Du, würde ich aus dem Fenster springen") - ICH SPRINGE AUCH GLEICH AUS DEM FENSTER! Eine Schwester, die sich mit Demenz offenbar nicht auskennt, wirft ihr giftige Blicke zu. Ich versuche zu beschwichtigen. Dann wird sie angepiekst, Blutentnahme, Zugänge legen - das Übliche. Mutti schlägt um sich und boxt. Ganz allmählich kann ich sie beruhigen. Sie kommt ins CT. Der Befund: Alles in Ordnung. Kein Schlaganfall, keine Gehirnerschütterung, keine Gehirnblutung. Mensch, hat Mama bei allem Unglück einen Schutzengel! Puh! Erst einmal durchatmen. Nun liegt sie wieder in der Notaufnahme unter einer Decke. Vor Erschöpfung schläft sie. Als sie wieder zu sich kommt, untersucht sie interessiert die Gegend. Will von der Liege hüpfen. Gottseidank gibt es in diesem Fall Bettgitter. Sie schimpft, hier sei alles so primitiv, und sie habe überhaupt noch nichts zu essen und zu trinken bekommen. Daß sie nicht den Oberkellner ruft, wundert mich. Ein Arzt taucht auf und stellt noch ein paar Fragen: Wenn sie für den Rest des Tages versorgt sei, könne sie nach Hause. Kein Grund, sie dazubehalten. Den Arbeitstag hatte ich ohnehin abgeschrieben, nun noch den Papierkram erledigen. Inzwischen ist auch das linke Auge angeschwollen und blau umrändert. Sie sieht aus wie ein Preisboxer nach der 12.Runde (Hergott, meine flapsigen Sprüche - dabei ist mir eher zum Heulen zumute). Sie will jetzt heim, aber fix. Kein Wunder, inzwischen ist es halb 2 Uhr und sie hat noch nicht einmal gefrühstückt. Ich auch nicht. Nun noch auf den Rettungswagen warten, der sie zurückbringt. Das dauert! Dann wird ein Trennvorhang gezogen. In den Notfallraum wird noch ein Mann gefahren, der offenbar kaum Deutsch spricht und sehr ängstlich wirkt. Er springt von der Liege, rennt unruhig zur Tür. Ich gehe zu ihm und er deutet mir mit Händen und Füßen an, daß seine Frau draußen wartet. Ich gehe in den Warteraum und hole sie dazu. Er ist sehr dankbar und die Beiden fangen eine muntere Unterhaltung an in einer Sprache, die für mich am ehesten nach Russisch klingt. Offenbar hatte irgendeine Schwester ihr untersagt, bei ihrem Mann zu bleiben. Mir egal. Sollen sie meckern. Dem armen Kerl ist es unheimlich alleine auf der Liege in diesem grauslich zweckmäßig eingerichteten Behandlungszimmer zwischen Desinfektionsmitteln und Apparaturen.

Endlich kommen zwei Sanis und bringen sie mit dem Rettungswagen zurück. Da es sich um zwei junge, nette Kerle handelt, lebt Mutti auf und fängt an zu flachsen und zu schäkern. Als sie mit einem Tragestuhl wie mit einer Sänfte in den zweiten Stock geschleppt wird, fühlt sie sich vermutlich wie die Königin von Saba. Gegen halb Drei sind wir endlich daheim. Sie ißt erst einmal, hat einen Bärenhunger. Den restlichen Tag verbringt sie mit Schlafen, hat Kopfschmerzen. Ich füttere sie mit Schmerztabletten.

Heute, eine Woche danach, geht es ihr so einigermaßen. Sie hat keine Schmerzen, wirkt aber schläfrig und wackelig auf den Beinen, ißt wenig. Ich bin nervös, schlafe schlecht. Bei jedem Geräusch nachts renne ich ins Schlafzimmer, weil ich Angst habe, daß sie sich wieder aus dem Bett dreht. Die große blaue Beule am Kopf ist immer noch da, die linke Gesichtshälfte grüngelbblau, das Auge nach wie vor blau unterlaufen. Am Donnerstag kommt die Hausärztin, um nach ihr zu sehen. Ich hoffe, daß keine Schäden zurückbleiben. Hoffentlich häufen sich die Stürze jetzt nicht wieder, das ist meine größte Angst. Ich werde wohl besser eine Matte zur Abfederung künftiger Stürze vors Bett legen.

Das sind eben die grauen Tage zwischen den blauen...
Grüße,
Petra H.
petra_h
petra_h

Anzahl der Beiträge : 16
Anmeldedatum : 29.11.07

Nach oben Nach unten

Andere Wege gehen... Empty Re: Andere Wege gehen...

Beitrag  petra Mi Dez 12, 2007 2:33 pm

Liebe Petra, ja es gibt auch die grauen Tage zwischen den blauen, aber jeder lernt damit zu leben und wir genießen dann auch die blauen Tage intensiver mit unseren Lieben.

Du schreibst ja richtig spannend hab richtig mitgefiebert mit deiner Mutter und dir, Gott sei Dank, ist nichts schlimmeres passiert, und das sie zur Zeit nicht an einem Schönheitswettbewerb teilnehmen kann, wird sie nicht wirklich stören.

Mir ist eingefallen, das du vielleicht einen schweren Sessel vor ihr Bett schieben kannst, so das sie sich nicht mehr rausdrehen kann und sie kann sich abends noch vor dem Zubettgehen reinsetzten und ihr könnt euch noch was erzählen. Mir ist auch aufgefallen das du geschrieben hast, das deine Mama noch wie ein Rohrspatz schimpfen kann, das kann meine Mutter schon lange nicht mehr, da sie enorme Sprachschwierigkeiten hat, sie verstummt dann eher lieber ganz und zieht sich lieber ganz in ihre Welt zurück. Wenn sie dann auch noch bemerkt die Leute beenden ihre angefangenen Sätze, weil sie ihnen nicht schnell genug sprechen kann und ihr gar keine Zeit einräumen den Satz zu Ende zu sprechen, tut es mir immer besonders weh.Und meine Mutter hat auch dann keine andere Wahl als sich zurückzuziehen und das reden anderen zu überlassen.Dabei erzählt sie gerne wenn man sie nur lassen würde. Finde ich sehr schade und ich leide dann immer mit ihr.

Liebe Grüße Petra
petra
petra

Anzahl der Beiträge : 213
Alter : 65
Ort : Dortmund
Anmeldedatum : 15.09.07

Nach oben Nach unten

Andere Wege gehen... Empty Re: Andere Wege gehen...

Beitrag  Angela Mi Dez 12, 2007 5:16 pm

Hallo liebe Petra.h

ich kann mir sehr gut vorstellen, was Du für eine Angst hattest bei dem Sturz von Deiner Mutti, nur gut das alles so ausgegangen ist. Meine Mutti ist auch mal aus dem Bett gefallen und hat sich eine Platzwunde über dem Auge zugezogen, als ich das sah hatte ich auch schrecklich Angst. Ich habe darauf hin mit unser Ärztin gesprochen und mir ein Pflegebett versorgt, wo ich nachts die Gitter hochmachen konnte. Um zu vermeiden, das ihr das Angst macht, weil sie nicht mehr rauskonnte, haben wir einen Klingelknopf an ihrem Bett angebracht und die Klingel hatte ich neben mir stehen. Das ging bei uns auch ohne Probleme, wenn sie raus musste hat sie geklingelt und so konnte ich ihr dabei immer helfen. Vielleicht wäre das auch eine Möglichkeit für Dich!

Liebe Grüße Angela
Angela
Angela

Anzahl der Beiträge : 176
Anmeldedatum : 15.09.07

Nach oben Nach unten

Andere Wege gehen... Empty Re: Andere Wege gehen...

Beitrag  something Mi Dez 12, 2007 8:20 pm

Hallo liebe Petra H,


Gott sei Dank keine schwere Verletzung ! Ich finde, Du hast sehr gut reagiert ! Ich kann mir gut vorstellen, wie Dir nach der unmittelbaren Sorge um Deine Mutter der beängstigende Gedanke durch den Kopf geht: Wenn wirklich etwas ernstes passiert ist - was dann ? Nach all Deiner bedrückenden Erfahrung mit ihren KH-Aufenthalten... .


Ich bin sehr berührt, in welch intensiver Sorge Du mit Deiner Mutter lebst. Wie so sehr wichtig sie ist für Dich. Wie sich Dein Leben durch diese Beziehung verändert haben mag.


Den Vorschlag von Angela, Seitenteile am Bett anzubringen, solltest Du vielleicht mal ausprobieren. Die Erfahrung ist, dass sich manche nicht eingesperrt, sondern sicher und geborgen fühlen können. Möglicherweise könntest Du die Seitenteile in Mutters alte Wolldecke einhüllen oder mit ähnlichem, das Vertautheit stiften kann. Sollte es nachts einen typischen Gefahrenradius um das Bett herum geben, könnte Auspolstern der gefährlichen Ecken, dünne Matratzen auf den Boden oä was bringen.


Bis bald, tapfere Petra !


Eugen

something
Admin

Anzahl der Beiträge : 90
Anmeldedatum : 13.09.07

http://abcd.forumieren.com

Nach oben Nach unten

Andere Wege gehen... Empty Re: Andere Wege gehen...

Beitrag  petra_h Do Dez 13, 2007 6:02 pm

Hallo Ihr Drei (Petra, Angela und Eugen) !

Vielen Dank für Eure Tips und Anmerkungen - ich bin dabei, eine Matte zu besorgen und werde zumindest ein Teilgitter in der oberen Betthälfte anbringen. Stabil muß es sein, man darf sich nicht daran verletzen oder die Finger klemmen. Ein komplettes Gitter wäre nicht gut; denn sie will nachts immer raus und sie hat im KH letztes Jahr auch die Gitter überklettert und sich dabei prompt den Oberschenkelhals gebrochen. Aber ein halbes Gitter am oberen Ende mit Auspolsterung, wie von Eugen vorgeschlagen - das müßte ok sein. Eine Überwachungskamera werde ich auch installieren. Babyphon wäre nix - in letzter Zeit summt sie laut im Schlaf. So sehr ich die alten Lieder von Zarah Leander mag - mitten in der Nacht lieber nicht. Smile

Die Hausärztin riet heute zur Punktierung der Beule, weil sie immer noch groß und prall gefüllt ist. Ich gehe morgen zum Unfallchirurgen um die Ecke (bloß nicht nochmal ins KH!). Ich hoffe, der arme Kerl überlebt die Aktion. Mutti mag solche Eingriffe nicht besonders und tut dies unmißverständlich nach außen kund. Ich gebe ihr vorher am besten einen Baldriantee Wink

Liebe Grüße,
Petra H.
petra_h
petra_h

Anzahl der Beiträge : 16
Anmeldedatum : 29.11.07

Nach oben Nach unten

Andere Wege gehen... Empty Nachdenkliches zu Weihnachten

Beitrag  petra_h Do Dez 13, 2007 9:38 pm

Früher... früher, da war meine Mutter ein richtiger Haustiger. Wenn es große Feste zu feiern gab, dann war sie es, die schon vorher tagelang plante, kochte, buk und Geschenke besorgte, dekorierte und alles gemütlich herrichtete. Zu Ostern und zu Weihnachten war die Familie zusammen. Komme was da wolle. Und das war schön so.
Heute bin ich diejenige, die versucht, die Normalität der Familienfeiertage zu erhalten. Gelegentlich kann ich meinen Bruder noch dazu bewegen, die Weihnachtsfeier bei ihm auszurichten.
Am Wochenende vor dem 1. Advent zogen vertraute Düfte durch Muttis Wohnung. Die von ihr so geliebten Vanillekipferl und ihre leckeren Orangenbrötchen, die sie jetzt immer wieder zwischendurch knabbert, tummelten sich im Backofen. Und sie war mit Leib und Seele dabei, schnupperte, schleckte Schüsseln aus (das war früher meine Aufgabe), wusch ab, lief trällernd auf und ab und öffnete immer wieder neugierig die Ofentür, um zu sehen, was sich dahinter tat.

Das Wohnzimmer schmückt sich mit der alten Weihnachtspyramide und der hölzernen Sternsingergruppe aus dem Erzgebirge. Auf dem Tisch steht ein dicker, selbst geschmückter, Adventskranz. Demnächst kommt ein Weihnachtsbaum her. Ein echter. Mit richtigen Wachskerzen. Kein Plastik, keine Elektrik.
Seltsame Fragen werden an mich gerichtet: Meinst Du, wir sollen ihren Geburtstag wirklich nochmal feiern (sie wird am 25. Dezember 84)? Sie bekommt das doch gar nicht mehr richtig mit. Irrtum, meine Süßen. Mutti kriegt alles mit, dafür sorge ich schon. In jedem Zimmer befinden sich Kalender und Uhren, die sie gerne und intensiv studiert. Sie weiß genau, in welcher Jahreszeit wir leben. Und meine Back- und Bastelaktivitäten künden penetrant von den herannahenden Feiertagen.
Vorgestern hat sie den übriggebliebenen Schokoladenosterhasen energisch vom Sideboard verbannt mit den Worten, der sei "jetzt nicht dran". Dafür hat sie den weißen Weihnachtsteddy mit rotem Schal adoptiert, den ich am Wochenende mitgebracht habe. Heute morgen hat sie ihm sogar ein Marmeladenbrötchen geschmiert. Das tut sie nicht für jeden! Wink

"Wie machst Du das bloß", fragte mich unlängst eine Freundin, "Du gehst arbeiten, pflegst Deine Mutter und hast noch Zeit fürs Backen? Wann hast Du denn mal Zeit für Dich?".

An Muttis Geburtstag werden sie wieder da sein, die wenigen Menschen, die unserer Familie noch geblieben sind. Zu Kaffee und Kuchen trifft man sich, um das auszutauschen, was sich seit der letzten Begegnung im Nachrichtentopf angesammelt hat. Und hinterher, bei der Verabschiedung an der Tür, werden sie mir zum 199. Mal sagen, was sie mir schon dauernd am Telefon vorbeten:

"Es geht ja schon ziemlich bergab mit ihr. Meine Güte, wie machst Du das bloß? Und wie lange geht das noch gut? Du mußt doch an Dich denken, das ist doch eine ungeheure Belastung für Dich. Denk doch an Deine Zukunft. Ist das noch ein erfülltes Leben?"

Wie definiert sich eigentlich ein erfülltes Leben? Was entgeht mir denn nach Meinung der Anderen? Ist es das Wetteifern um die beste berufliche Position, das Geld in unbegrenzter Menge, der dicke Wagen vor der Tür, der coole DomRep-Urlaub inklusive Kurs im Kitesurfen? Einmal im Leben Pavarotti in New York erlebt zu haben, einmal sich, nur an einem Gummiseil hängend, von einer Staumauer zu stürzen? Teure Geschenke zu machen, die den eigenen Status unterstreichen?

Alle Jahre wieder feiern wir Weihnachten. Endlich ein paar Tage frei haben. Einkaufsbummeln in der Stadt mit viel Glitzer und "Jingle Bells" aus allen Lautsprechern. Volles Rohr. Sich den Ranzen mit Hochkalorischem vollstopfen, bis er platzt. Die seltsam rührselige Stimmung, die uns erfaßt und dazu verleitet, dem verwahrlosten Obdachlosen, den wir sonst nicht mal mit dem Hintern angucken würden, einen Euro in den Plastikbecher zu werfen. Weil ja das Fest der Liebe ist. Eben drum. Vielleicht gehen wir ja auch in die Kirche am Heiligabend. Um ein Tränchen zu verdrücken, weil es ja gar so bewegend ist, wie der Kinderchor so schön die Weihnachtslieder singt und der Pfarrer was von Nächstenliebe erzählt. Und alle, alle haben sich lieb. Wie sagte doch Frau Hoppenstedt bei Loriot: "Ach, wenn doch immer Weihnachten wär."

Wann wirklich Weihnachten ist für uns und unsere Nächsten, das bestimmen doch eigentlich wir und nicht der Kalender. Jeden Tag aufs Neue.

Axel Kühner schreibt in seinem Buch: "Aus gutem Grund":
"Als meine Frau nach 15 Jahren unheilbarer Krankheit und einer jahrelangen Hauspflege von ihrem Leiden erlöst und heimgegangen war, schrieb mir ein Bekannter gut gemeint: "Ich habe es immer bedauert, dass Sie die besten Jahre ihres Lebens durch diese furchtbare Krankheit versäumt haben!"
Ich sehe das völlig anders, denn ich habe in den besten Jahren meines Lebens das Allerbeste getan. Ich habe meiner Frau beigestanden und in guten wie in bösen Tagen zu ihr gehalten, bis der Tod uns schied. Dann drei heranwachsende Kinder auf ihren Lebensweg gebracht und beruflich das Beste gegeben, was möglich war. Ich habe nichts versäumt, aber alles gewonnen: Erfüllte Jahre, ein versöhntes Herz, tiefen Frieden. Wenn unsere Jahre ohnehin vergehen, dann doch am Besten damit, dass wir das Richtige und Beste tun. So haben wir eine gute Erinnerung an gestern, leben versöhnt im Heute und sind voller Hoffnung auf Morgen."


Liebe Grüße
Petra H.
petra_h
petra_h

Anzahl der Beiträge : 16
Anmeldedatum : 29.11.07

Nach oben Nach unten

Andere Wege gehen... Empty Re: Andere Wege gehen...

Beitrag  something Sa Dez 15, 2007 12:43 am

Hallo liebe Petra H,


Du hast sehr schön geschrieben ! Irgendwie scheinst Du im Gleichklang mit Deiner Mutti zu schwingen. Was meinst Du ? Wenn ja, war das schon immer so oder hast Du dies erst jetzt so erfahren, weil und indem Du ihren Hilfebedarf beantworten konntest ?


Ja, was ist ein erfülltes Leben ? Denke, Menschen mit Demenz können uns darauf stoßen - wenn wir es zulassen können.


Ich hoffe, der Teddy hat sich mit nem dicken Kuss bedankt !


Bis bald, Eugen

something
Admin

Anzahl der Beiträge : 90
Anmeldedatum : 13.09.07

http://abcd.forumieren.com

Nach oben Nach unten

Andere Wege gehen... Empty Re: Andere Wege gehen...

Beitrag  petra_h Di Jan 08, 2008 9:52 pm

Hallo!

Euch allen ein gesegnetes, neues Jahr. Wünsche Euch allen Kraft für die Dinge, die Ihr vorhabt - vor allem aber natürlich für die Pflege Eurer Angehörigen.

Lieber Eugen, ich glaube, daß meine Mutter und ich schon immer ein gutes und inniges Verhältnis zueinander hatten. Sonst könnte ich die Pflege sicher nicht so durchführen, wie ich das tue - denn manchmal, wenn sie schlecht drauf ist, verlangt sie mir wirklich das Letzte ab.

Der Termin beim Unfallarzt, Marke "Metzger", war eine kleine Tortur für die Ärmste. Sie wurde mit 3 Mann festgehalten, und die Beule wurde mit einem schnellen, kleinen Einschnitt geöffnet (Metzger an Assistentin: Wenn ich "Jetzt" sage, feste kneifen - dann ist sie abgelenkt), damit das geronnene Blut rauskonnte. Sie hat wütend geschimpft wie ein Rohrspatz, und ich habe noch mehr gelitten. Hinterher meinte der Metzger, der eigentlich sehr nett ist (aber von Beruf Chirurg, also eben Metzger), daß eine Betäubungsspritze nichts gebracht häte. Der Pieks tut auch weh, und dann ist sie schon sauer und wir können den Schnitt womöglich nicht mehr machen. Bei seiner Mutetr würde er auch so verfahren. Und im Übrigen hätte sie morgen ohnehin alles wieder vergessen.

Dann geleiten der Metzger, links, und die Assistentin, rechts, mein jammerndes und schimpfendes Mütterlein zum Auto. Uff! Zuhause schimpt sie weiter: "So eine Bagage! Und da bringst du mich hin!". Ich mache ihr ein leckeres Essen und spendiere ihr ein Gläschen Wein. Sie brummelt, geht früh zu Bett. Inzwischen ist alles bestens verheilt und nichts mehr zu sehen.

Daß Weihnachen war, ist Mutti zwangsläufig nicht entgangen. Spätestens nachdem ich laut scheppernd einen zimmerhohen Weihnachtsbaum aufgestellt und geschmückt hatte (sie wollte in den letzten Jahren immer nur ein Miniexemplar, das man auf einem Beistelltischchen in der Ecke unterbringen kann), der, penetrant und raumfüllend, neben ihrem Fernsehsessel thronte, fragte sie: "Ja haben wir denn schon Weihnachten"? - Die Kandidatin hat 100 Punkte. santa
Am 25.Dezember kamen meine Geschwister, sowie meine Nichte mit dem kleinen Urenkel (er wird im Februar 2 Jahre alt) zu Muttis 84. Geburtstag jeder mit einem Kuchen angeschleppt, ich hatte auch einen gebacken. Es gab 84 Kerzen auszublasen. Viel Umtrieb, viel "Hallo", und Mutti ganz vernarrt in ihren Urenkel, der selig mit seiner neuen Holzeisenbahn spielte (sehr zum Verdruß der Erwachsenen mit batteriebetriebener Lok, die blinken und "Huuuuuuuuuuh" machen konnte). Hinterher war Mutti allerdings so erschöpft, daß sie 2 Tage lang fast nur schlief. Einen schicken Pulli, eine warme Strickjacke und kuschelige ABS-Socken hat sie bekommen. Außerdem jede Menge leckere Schokolade und viele Blumen - also ganz nach ihrem Geschmack. Die üblichen Bemerkungen: "Also sie baut wirklich ganz schlimm ab. Du solltest Dir überlegen, ob Du sie nicht doch ins Heim tust. Das ist doch kein Leben für Dich!" von den Leuten, die sie noch nicht einen Tag lang gepflegt haben, waren natürlich obligatorisch.

Dann, am Freitag vor Silvester, der Besuch beim Hörgeräteakustiker. Oje, von wegen: Sie hat morgen alles vergessen. Irgendwas ist hängengeblieben von der Metzgerei. Sie klammert sich ans Treppengeländer und will nicht ins Auto. Mit viel Geduld überrede ich sie doch. Bis wir beim Akustiker sind, bin ich völlig durchgeschwitzt und falle kaputt auf den Stuhl. Er stellt das Hörgerät neu ein, da ist Mutti putzmunter, fegt zur Tür und meint, ob wir nicht ein Stück Kuchen mitnehmen sollten, für den Nachmittag? Bitte!? Ich hebe meine Knochen mühsam vom Stuhl und schleiche kopfschüttelnd mit ihr aus dem Laden.

An Silvester hat die Gute sich den Bauch mit Krabbensalat, Baguette und einem Gläschen "Beerenauslese" vollgeladen und sich so, satt und selig, um 23 Uhr ins Bett begeben, um wie ein Murmeltier zu schlafen. Sleep Selbst bei den lautesten Böllerschüssen zuckte sie nicht einmal. Sowas! Das habe ich bei ihr noch nie erlebt. Es sei ihr gegönnt! :-)

Vor ein paar Tagen telefonierte meine Schwester mit mir und offenbar regt sich bei ihr - im Gegensatz zu meinem Bruder - nun das ganz arg schlechte Gewissen, weil ich ja sooooooooooo belastet bin und sie so gaaaaaaaaaaaaaar nicht helfen kann und ich würde ihr immer helfen und das sei ja sooooooooooo einseitig und das ginge doch nicht .... und ich soll doch mal darüber nachdenken, ob Mutti nicht doch in ein Heim ... weil ich hätte ja auch noch ein Leben zu leben und .... Will da etwa jemand sein Gewissen glätten, denn wenn Mutti im Heim ist, hat sie ja nicht mehr die latente Verpflichtung zu helfen!?

Allmählich käst es mich an, Rolling Eyes diese dauernde Drängelei. Gestern sprach mich eine Nachbarin im Treppenhaus an. Eine andere Frau ein paar Häuser weiter, habe sie soeben erfahren, bei der sei es ja auch sooooooooooo schlimm gewesen. Die habe zuhause immer ein Chaos angerichtet, die Wäsche in den Papierkorb geworfen und alles durcheinander gebracht und jetzt hätten ihre Kinder sie ins Heim gebracht. Aber die könnten ja nicht anders, die würden ja schließlich alle arbeiten. Ich habe ihr freundlich gesagt, daß ich auch arbeite - und daß sich immer - zumindest eine zeitlang - eine Lösung finden läßt. Meiner Meinung nach seien solche Leute einfach zu egoistisch. Da hat sie ganz tief Luft geholt und gemeint, naja, irgendwie habe ich ja recht, aber man müsse die Leute ja auch verstehen - also sie würde mich ja bewundern, wie ich das Ganze manage und soviel Geduld aufbringe.
Herrschaft! Mad Ich will keine Bewunderung! Wenn ich etwas will, dann das: Erreichen, daß ein paar Leute wach werden und sich ein bißchen mehr Toleranz gegenüber Demenzerkrankten zeigt. Aber da renne ich wohl gegen Wände. Nur nicht aufgeben: Steter Tropfen höhlt den Stein.

Gestern abend war Angehörigentreff in der Diakoniestation am Wohnort meiner Mutter. Dort traf ich auf eine sehr nachdenkliche PDL, die fest entschlossen ist, ihre Mitarbeiter besser für den Umgang mit Demenzkranken vorzubereiten. Schon immer vertrat sie die Ansicht, daß ambulante Pflege vor Heimeinweisung gehen muß. Wenn sie sich jedoch die Pflegeheime ansehe, meinte sie, dann werde sie immer ganz schwermütig. Wie viele alte Menschen dort stumpfsinnig vor sich hin brüten. Wie frustrierend es sei, nur "satt und sauber" bieten zu können. In der Dementenstation dort sei, seit eine neue Leiterin Einzug hielt, ein ganz anderer Wind. Habe man früher die Leute abends gewähren lassen, wenn sie erst um 22 oder 23 Uhr ins Bett wollten, führt die "Neue" jetzt ein straffes Regiment, bei dem die Alten strikt nach Plan "abgearbeitet" und früh ins Bett gesteckt werden, damit man strukturiert arbeiten könne.
Die Diakonie-PDL machte ein sehr skeptisches Gesicht und meinte, sie habe damit so ihre Schwierigkeiten. Auch damit, daß man die Leute einfach in Doppelzimmer stopfe, weil sich die Belegung sonst nicht rechnen würde.
Im übrigen gebe es erhebliche Defizite bei den Pflegekräften (stationär wie ambulant), was die Kenntnisse über den Umgang mit Dementen angeht, dem sie jetzt entgegentreten wolle. Unter anderem wolle sie eine Bibliothek mit Fachliteratur anlegen. Als hätte ich es nicht geahnt, hatte ich "zufällig" (ich glaube nicht mehr an Zufälle) das Buch von Dr.Wojnar (Die Welt der Demenzkranken - Leben im Augenblick) im Auto und habe es ihr gleich zur Ansicht überlassen. Sie kennt Wojnar nicht. Habe sie vorgewarnt, daß seine Konzepte oftmals ungewöhnlich sind, aber dafür hat sie ein offenes Ohr.

Ich freue mich ja über offene Ohren, nur ... wieso hat eine PDL, die seit 30 Jahren im Geschäft ist, noch nie von Jan Wojnar gehört ... ??? Shocked

Heute habe ich es gewagt, meinen Chef zu fragen, ob ich evtl. ein bißchen Hilfe bekommen könnte, indem ich Teile meiner Arbeit von zuhause aus erledigen kann. Er will darüber nachdenken. Für mich wäre das eine Riesenentlastung. Aber ... mit Sozialleistungen ist das so eine Sache, das sind Kaviarleistungen. Darauf läßt sich nicht jeder ein. Aber - immer optimistisch bleiben!

Mal sehen, wie es weitergeht.

Petra H.
petra_h
petra_h

Anzahl der Beiträge : 16
Anmeldedatum : 29.11.07

Nach oben Nach unten

Andere Wege gehen... Empty Re: Andere Wege gehen...

Beitrag  petra_h Mi Jan 09, 2008 8:48 pm

Hallo!

Seit einigen Tagen weigert Mutti sich zunehmend, ihre Tabletten zu nehmen. Ich nehme an, daß das Ganze einen psychologischen Hintergrund hat, die Anzahl Tabletten hat wohl ihre persönliche "Konsumschwelle" überschritten.
Nach Rücksprache mit einigen Bekannten und anderen pflegenden Angehörigen mache ich jetzt folgendes:
Tebonin lasse ich ganz weg.
Die halbe Entwässerungstablette morgens soll sie laut Hausärztin nur bei Bedarf nehmen - also wenn der Blutdruck zu hoch ist oder wenn sie Beinödeme hat. Das halbe Bröckelchen stopf ich ihr dann morgens ins Brötchen rein. Ein paar Tage lang, dann lasse ich sie testweise wieder weg. Das hat sie bisjetzt nicht gemerkt.
Die Schmerztablette (Metamizol) lege ich ihr morgens und abends offen hin - sie soll selber entscheiden, ob sie die nehmen muß oder nicht.
Dann ist da noch die Osteoporose-Therapie: An einem Tag in der Woche eine Tablette Alendron, an den anderen 6 Tagen Calcium/Colecalciferol als Ergänzung. Die Alendron einmal die Woche läßt sie sich gerade so aufschwatzen. Das Calcium pulverisiere ich und mische es z.B. mit Rügenwalder Teewurst, die sie gerne ißt, und mache daraus einen Brotbelag zum Abendbrot.

Ehrlich gesagt, so ganz wohl ist es mir nicht damit. Mutter austricksen. Hätte ich mir nie träumen lassen. Aber: Ihre Knochen sind porös. Sie hatte schon mehrere Brüche. An der Bettlägerigkeit sind wir 2006 knapp vorbeigeschrammt. Und diese Therapie muß mindestens 1-2 Jahre durchgehalten werden, sonst bringt sie nichts. Also tue ich ihr ja nichts Schlechtes an. Anders wäre es, wenn ich ihr heimlich Risperdal oder sonstwas Sedierendes reinmischen würde, damit ich meine Ruhe habe.

Was man sich aber auch alles einfallen lassen muß...

Petra H.
petra_h
petra_h

Anzahl der Beiträge : 16
Anmeldedatum : 29.11.07

Nach oben Nach unten

Andere Wege gehen... Empty Re: Andere Wege gehen...

Beitrag  Angela Do Jan 10, 2008 1:33 am

Hallo liebe Petra H,

ja das Problem was Du gerade mit Deiner Mutti hast, kenne ich auch noch! Man muss schon ganz schön erfinderisch werden! Gewissensbisse habe ich mir da echt keine gemacht, wenn ich meine Mutti da etwas ausgetrickst habe, denn man macht es ja nur um ihr zu helfen und nicht um ihr zu schaden.
Das einzige auf was ich dabei sehr geachtet habe, war das meine Mutti dabei genügend trinkt, denn die meisten Medikamente müssen ja mit viel Flüssigkeit eingenommen werden, aber so liebevoll wie Du über Deiner Mutti schreibst, machst Du das auf alle Fälle alles richtig!
Ich wünsche Dir weiterhin ganz viel Kraft um das alles zu schaffen, denn wenn ich das so lese, ist es doch eine riesen Menge, ich hatte aber auch immer das Motto, wo ein Wille ist ist auch ein Weg, obwohl die Wege oftmals ganz schön steinig waren, aber für mich im nachhinein richtig. Lass Dir von anderen nicht reinreden und gehe Du mit Deiner Mutti, den Weg, der für Euch richtig ist, denn auf viel Hilfe von den anderen wirst Du bestimmt auch nicht hoffen können. Aber alle sollten daran denken, man hat nur eine Mutter, und zu wissen man ist oder war für sie da ist ein Gefühl, was einem keiner nehmen kann und das ist wichtig!

Viele liebe Grüße von
Angela
Angela
Angela

Anzahl der Beiträge : 176
Anmeldedatum : 15.09.07

Nach oben Nach unten

Andere Wege gehen... Empty Re: Andere Wege gehen...

Beitrag  something Do Jan 10, 2008 6:45 pm

Hallo liebe Petra H,


Du hast ja wieder sehr schön geschrieben !


Furosemid gibt's leider nicht als Tropfen. Was ist mit sehr fein mörsern und in einem Löffel Marmalade geben ? Tebonin gibt es als Tropfen - in eine warme Tasse Tee ? Metamizol ist ein ziemliches Hammermedikament und in vielen westlichen Ländern nicht mehr zugelassen. Zudem schwächt es die Wirkung von Diuretika ab. Metamizol gibt es ebenfalls als Tropfen (auch als Zäpfchen). Das Alendron gibst Du offenbar als Retard, deshalb kannst Du es nicht mörsern. Bei einer Tablette auf Tagesbasis könnte dies vermutlich gehen.


Ja, kann ich verstehen, dass Dir nicht ganz wohl ist bei Deinen 'Tricks'. Aber genau dies zeichnet die Petra H aus !


Die muntere Rebellion Deines 'Mütterleins' (wie groß ist sie denn ?) bei den Arztbesuchen halte ich für ein gesundes Zeichen. Auch wenn die Beteiligten natürlich erstmal gestresst waren. Der Chirurg hat bezüglich lokaler Betäubung klug gehandelt.


Ja, vielleicht waren es zuviel Leute auf der Weihnachts / Geburtstagsfeier, da Deine Mutti in der Folge so erschöpft reagierte ? Wie war sie denn während der Feier ? Tat es ihr gut, die Ihren zu sehen ? Und wie ging es Dir damit ? Mit den Kommentaren ? Dein Gedanke, dass schlechtes Gewissen den Imperativ 'ins Heim, ins Heim' beflügelt, find ich naheliegend.


Ja, ein 'straffes Regiment' ist das, was unsere Alten wirklich brauchen ! Und das beste: diese wunderbare Ausbildung kostet nur 3.500 $ im Monat !


Leider macht die Anschaffung eines Schwungs Fachliteratur noch keinen Demenzspezialisten. Was zuerst verlangt ist sind grundlegegende Fähigkeiten in Beziehung und Kommunikation - in erster Linie eine Frage der Persönlichkeit. Zudem haben viele der Pflegepersonen keinen Zugang zum theoretischen Arbeiten. Vielleicht lesen sie mal was, aber das hat dann kaum einen Bezug zur Praxis. Lieber ist mir übrigens ne PDL, die zugeben kann, von Validation noch nichts gehört zu haben als jene, die sagt: Validation - ja sicher. Das machen wir doch schon immer !


Wie ist es mit der Angehörigengruppe ? Findest Du dort welche, deren Herz wie Deines tickt ? Bei denen Du Verständnis und Unterstützung erhalten kannst ?


Dann auch Deiner Mutti und Dir die besten Wünsche für 08 ! Dass den Aufregungen und Rückschlägen Lebensfreude und Sinn entgegenstehen mag ! Und natürlich, dass Dein Chef so freundlich ist... .


Bis dann, Eugen

something
Admin

Anzahl der Beiträge : 90
Anmeldedatum : 13.09.07

http://abcd.forumieren.com

Nach oben Nach unten

Andere Wege gehen... Empty Re: Andere Wege gehen...

Beitrag  petra_h Fr Jan 11, 2008 10:30 pm

Liebe Claudia!
Ganz herzlichen Dank für Deinen Zuspruch! Du hast recht, ich darf mich nicht von meinem Weg abbringen lassen. Es ist halt manchmal schwer, wenn man von allen Seiten diesen Mist zu hören bekommt. Manchmal komme ich mir vor wie ein Aal, der sich um die Hindernisse winden muß. Aber bisjetzt ist ja alles gut gegangen...
Ich habe meinen Geschwistern auch schon gesagt: Jammert mir nichts vor, wenn Mutti tot ist. Jetzt habt ihr sie noch, aber bald nicht mehr. Dann könnt ihr nichts mehr nachholen. Aber das müssen sie selbst wissen.

Lieber Eugen,
auch Dir herzlichen Dank für Deinen langen Kommentar und die guten Wünsche. Tebonin als Tropfen ist eine gute Idee. Ich habe mal den Apotheker meines Vertrauens gefragt. Er war sogar so nett, mir die Menge und den Preis "Tablette gegen Tropfen" umzurechnen - es kommt exakt derselbe Preis raus. Dann probiere ich es mal damit.
Mein "Mütterlein" ist in der Tat ein zierliches Persönchen. Ich selber bin ja bloß 160 cm groß, und sie war immer ein bißchen kleiner. Inzwischen geht sie, bedingt durch die Osteoporose, etwas gebeugt, was sie noch kleiner wirken läßt. Und sie wiegt nur noch knapp 50 kg, egal wieviel sie futtert.
Bei der Weihnachtsfeier war sie zuerst ein wenig verdutzt, daß so viele Leute kamen. Dann hat sie es sichtlich genossen, vor allem ihren Urenkel. Gegen Ende wurde sie jedoch zunehmend müder. Ich denke schon, daß sie damit etwas überfordert war. Darum hatten wir auch beschlossen, die Feier in ihrer Wohnung stattfinden zu lassen; denn dort konnte sie sich zumindest zwischendurch in einen anderen Raum zurückziehen. Woanders eingeladen zu sein, ist für sie Quälerei, weil sie dort keine Rückzugsmöglichkeiten hat. Das ersparen wir ihr. Allerdings überlege ich mir schon, ob wir ihr das im nächsten Jahr noch einmal zumuten sollten...
Was die Kommentare angeht: Sie ärgern mich. Insbesondere, wenn sie von Leuten kommen, die sich gar nicht oder selten um Mutti kümmern. Vor ein paar Monaten hieß es noch: 'Wir stehen voll hinter dem, was du machst', kurz vor Weihnachten meinte meine Schwester dann so ein bißchen zerknirscht, sie finde es peinlich, daß meine Hilfe ihr gegenüber immer so einseitig sei und jetzt rückte sie damit heraus, daß sie ja schon lange mit mir habe sprechen wollen, sie sehe doch, daß Mutti weiter abbaut, und plötzlich kann man die Frau nicht mehr alleine lassen, weil das gefährlich sei. Was soll ich mir dabei sonst denken, als daß sie mit ihrem Gewissen kämpft? Aber den Kampf werde ich ihr nicht erleichtern. Den muß sie schon selbst mit sich austragen.
Dennoch gilt: Ich habe es im Gefühl, daß ich auf dem richtigen Weg bin. Und deshalb gehe ich ihn weiter.

Die Angehörigengruppe ist ziemlich heterogen, was die verschiedenen "Krankheiten" angeht. In einem Fall ist ein Mann nach Schlaganfall gelähmt, dessen Ehefrau mußte von der Gruppe mühsam dazu bewegt werden, daß sie wenigstens ab und zu das Haus verläßt, um für sich selbst ein bißchen Luft zu haben. Sie ließ sich von ihrem Mann regelrecht tyrannisieren, da er immer Wutanfälle bekam, wenn sie ohne ihn fortging. Ein Fall von Aphasie ist dabei (der Ehemann dieser Frau pflegt sie sehr liebevoll und ist mit mir sozusagen auf einer "Wellenlänge"), und eine Tochter, die ihre demente Mutter jahrelang gepflegt hat (diese ist inzwischen verstorben) und ebenfalls ähnlich tickt wie ich. Dann noch ein Mann, der seine demente Frau pflegt, und sehr damit kämpft. Beispielsweise ist er traurig darüber, daß seine Frau, die früher eine gute Köchin war, gar nicht mehr kochen kann. Und daß sie ihn oft nicht erkennt. "Sie fragt oft: 'Wo ist denn mein Mann?', und wenn ich dann sage: 'Wer bin ich denn?', dann sagt sie: 'Du bist der, der immer da ist'," erzählt er und seufzt. Dann müssen wir ihn immer aufbauen. Daß die Nähe eines vertrauten Menschen eben enorm wichtig ist, und daß die Frau das auch spürt. Wenn sie sich selbst im Alter von 20 Jahren wähnt, glaubt sie natürlich nicht, daß der zerknitterte 70jährige da neben ihr ihr Ehemann sein könnte. Es ist schon schwer...
Leider wird dort zuwenig über alternative Pflegekonzepte und Validation und solche Dinge gesprochen, darüber würde ich mich gerne mehr austauschen. Ist ja auch kein Wunder, wenn die PDL darin nicht so bewandert ist. Ich werde versuchen, das Thema dort noch stärker hineinzutragen. Ab und an ist eine Sozialpädagogin mit dabei.

Viele Grüße,
Petra H.
petra_h
petra_h

Anzahl der Beiträge : 16
Anmeldedatum : 29.11.07

Nach oben Nach unten

Andere Wege gehen... Empty Re: Andere Wege gehen...

Beitrag  Gesponserte Inhalte


Gesponserte Inhalte


Nach oben Nach unten

Nach oben


 
Befugnisse in diesem Forum
Sie können in diesem Forum nicht antworten